on 01-Jul-2025 (Tue)

= Theorie über den strukturellen Aufbau von Wörtern oder Gebärden, dazu gehören

• Wortbildung = schafft neue Wörter/Gebärden
• Flexion = schafft Wortformen

= kleinste bedeutungstragende Einheit der Sprache (Grundeinheit)

• ungleich Silbe (Morpheme Hunde = Hund + e)
• bedeutungstragend: kann ein eigenes Wort sein, aber auch Wortteile/Silben, die man allerdings nicht in ein Lexikon eintragen würde

• lexikalischer Kern von Wörtern: jedes Wort enthält min. 1 freies Morphem, die sogenannte Wurzel
• An Wurzeln können ein oder mehrere Affixe angehängt werden: Auto-s, sag-t- e
• Der Input für Affixe ist der Stamm, dieser kann eine Wurzel sein (Auto-s) oder eine komplexere Form (sagt-e)

• können nur in Verbindung mit einem freien Morphem auftreten
• Affixe werden unterteilt in:
  • Präfixe: be-strafen, vor-ver-urteilen
  • Suffix: Fahr-er, Herr-lich-keit
  • Zirkumfix (diskontinuierliche Form mit einer Bedeutung): ge-sag-t

Derivation

• Bildung eines Wortes aus einem vorhandenen Wort und einem Derivationsaffix
• Neue Kernbedeutung und/oder Wortart

Flexion

• Bildung eines Wortes aus einem vorhandenen Wort und einem Flexionsaffix
• Wortart und Kernbedeutung bleiben gleich

Komposition

• Bildung eines neuen Wortes aus min. 2 Wurzeln

Präfixe: ändern die Kernbedeutung, selten die Wortart: z.B. un-, ent-, ver-, be-, zer-

Suffixe: ändern die Kernbedeutung und meist die Wortart:

• -keit, -heit: Adj -> N
• -ung: V -> N
• -bar: V -> Adj

Sequentiell (konkatenativ): z.B. GEBÄRDE^SPRACH^DOLMETSCH

Simultan (nicht konkatenativ):z.B. GEBEN-CL

Alphanegation: Modalverb + NEG

• NEG kann nicht frei stehen und trägt verneinende Bedeutung
• auf bestimmte Stämme beschränkt: Modalverben, STIMMT, MÖGLICH

KEIN-Negation: Verb + WEG-VERLIEREN

• phonetisch reduzierte Form von WEG-VERLIEREN
• semantisch enger: Negation
• auf bestimmte Stämme beschränkt: INTERESSE, VERSTEHEN, SCHAFFEN, BEGREIFEN

--> Affixstatus kann nicht immer klar bestimmt werden, Alternative: Kompositum, aber dagegen spricht Produktivität

• für kalendrische und Messeinheiten
• Handform einer Zeit- oder Messeinheitsgebärde wird durch Zahlgebärdenhandform ersetzt
• nur für Stunde, Woche, Monat, Jahr, Uhrzeit, Ordinalzahl und Zahlen bis 10, sonst phonologische Beschränkung
  • pro Gebärde darf es nur eine Spezifikation für (Pfad-)Bewegung geben
  • markierte Handformen müssen erhalten bleiben

Blends sind Komposita, in denen mind. 1 Wurzel phonologisches Material verloren hat, z.B. smog, mansplaining, philosofaseln

DGS:

• ZUHAUSE (SITZEN, HAUS)
• PSYCHIATRIE (TABLETTE, INNEN)
• SCHREIBTELEFON

• verankert ein Ereignis mit Bezug auf den Äußerungszeitpunkt
• GS
  • in Gebärdensprachen seltene grammatische Kategorie, aber siehe Italienische Gebärdensprache (LIS) (Schultern vor/neutral/zurück)
  • Temporale Information stattdessen durch Adverbien ausgedrückt: GESTERN, ZWEI-STUNDEN-SPÄTER, BIS-JETZT
  • In eingeschränktem Maße durch verschiedene Gebärden mit gleicher Kernbedeutung ausgedrückt
    • BSL WIN vs WON
    • lexikalisch, nicht morphologisch

• Perspektive auf ein Ereignis zu einem gegebenen Betrachtungszeitpunkt
• beschreibt die interne zeitliche Struktur des Ereignisses
  • progressiv: Er ist am Marathon laufen.
  • perfektiv: Er ist einen Marathon gelaufen.
  • habituell: Sie läuft regelmäßig Marathons.
• Gebärdenform
  • Kontinuativ (durativ): durchgehend: lange, zirkuläre Bewegunbgen, sehr kurze Pause zwischen Wiederholungen
  • Iterativ (wiederholend): lange, zirkuläre Bewegungen, kurze Pause zwischen Bewegungen
  • Habituativ (Gewohnheit): Bewegung verkürzt, keine Pause zwischen Wiederholungen

Im Deutschen kongruieren alle Verben ausschließlich mit dem Subjekt.
a. Ich gebedir einen Korb.
b. *Ich gibst dir einen Korb.
c. *Ich gib-st-e/geb-e-st dir einen Korb.

In DGS kongruieren

• manche Verben mit dem Objekt,
• manche mit Objekt und Subjekt,
• und manche gar nicht (plain verbs/einfache Verben), zB ESSEN, SCHLAFEN, VERSTEHEN

--> In beiden Sprachen zeigt das Verb Person und Numerus eines Arguments (Subjekt oder Objekt) an!

• werden für Merkmale Person und Numerus in Bezug auf ihre Bewegungsrichtung und/oder Handstellung verändert
• Änderung der Bewegungsrichtung
  • ANTWORTEN, FRAGEN, GEBEN
• Änderung der Bewegungsrichtung + Handstellung: BESUCHEN
• reguläre Kongruenz:
  • Anfangspunkt: Subjekt
  • Endpunkt: Objekt
• Rückwärts gerichtete Kongruenzverben:
  • Anfangspunkt: Objekt
  • Endpunkt: Subjekt
  • Bsp. AKZEPTIEREN

person agreement marker PAM

• zeigt alternativ zum Hauptverb Kongruenz an
• freies funktionales Morphem
• kann für einfache Verben und Kongruenzverben verwendet werden
• ausschließlich für menschliche Subjekte und Objekte

• Dual ₁FRAGEN+ ‘Ich frage 2 Personen.’
• Distributiv ₁FRAGEN++ ‘Ich frage mehrere Personen einzeln.’
• Kollektiv ₁FRAGENbogen ‘Ich frage mehrere Personen zusammen.’

• meist null-markiert, d.h. Singularform = Pluralform
• Reduplikation verbreitestste Strategie
  • Reduplikation mit Seitwärtsbewegung (KIND)
  • Reduplikation ohne Änderung der Ausführungsstelle (BUCH)
• phonologische Beschränkung: Gebärden mit wiederholter Bewegung oder komplexer Bewegung können nicht redupliziert werden

1. Wörterbuch
2. psychischer Aspekt der Speicherung und Verarbeitung von lexikalischen Informationen im menschlichen Gehirn ( = mentales Lexikon)

• Abstrakte Einheit, die mit einem außersprachlichen Konzept verbunden ist
• (ich) singe, (du) singst, (er) singt, (wir) singen, (ihr) singt, (sie) singen
  • 4 verschiedene Wortformen
  • 6 syntaktische Wörter
  • 1 Lexem

• Im Gegensatz zu vielen lautsprachlichen Wörtern haben Gebärden häufig bildhafte Aspekte, d.h. sie sind motiviert
• Arten der Motiviertheit
  • Ikonisch: Form einer Gebärde kann auf ein Bild zurückgeführt werden
  • Metonymische Beziehung: Bild einer Gebärde steht in einem engen Zusammenhang mit der jeweiligen Bedeutung und stammt aus demselben Bedeutungsumfeld, z.B. AUTO
  • Metaphorische Beziehung: das Bild wird aus einem anderen Erfahrungsbereich genommen, z.B. DISKRIMINIEREN

• konventionell (auch: core lexicon): feste Form, Gebärdenwortschatz kann sich jedoch mit der Zeit verändern
  • neue Gebärden für neue Konzepte (z.B. WHATSAPP, COVID)
  • Entlehnen fremdsprachiger Gebärden (z.B. DGS COMPUTER aus ASL)
  • manche Gebärden, die ihre ikonische Basis verlieren, können ersetzt werden
• produktiv (auch: non-core lexicon): Klassifikatorprädikate (Orts- und Bewegungsverben)

• nativ: core + non-core lexicon
• non-nativ: von der umgebenden Lautsprache beeinflusst oder entlehnt
  • Lehnkomposita (z.B. GEBÄRDE^SPRACH^DOLMETSCH)
  • initialisierte Gebärden
  • Namensgebärden mit Initialisierung oder purer Anfangsbuchstabe